Forschen am zehn-Millimeter-Schneckchen mit der Super-DNA
„Würde man die gesamte DNA der Schnecke auf DIN-A4-Blättern ausdrucken, wäre der Stapel an Papier sechs Meter hoch!“ – so erzählte es uns die Biologin Dr. Carola Greve bei unserem Besuch auf der „MS Wissenschaft“ in Frankfurt.
Nachdem wir uns die Ausstellung auf dem Forschungsschiff, das einst Fracht über die Flüsse transportierte, angesehen hatten, wurden uns in dem darauffolgenden Workshop die beiden Wissenschaftler*innen Dr. Carola Greve und Dr. Tilman Schell vom LOEWE-Zentrum TBG vorgestellt und wir bekamen die Aufgabe, sie zu ihrem Beruf und ihrer Forschung an einer sehr besonderen Schnecke zu interviewen.
Dr. Greve und ihr Team forschen nämlich an einer Schnecke mit dem Namen Elysia timida, welche die besondere Fähigkeit besitzt, dass sie die Chloroplasten aus den Algen, die sie frisst, speichert und so selbst mehrere Monate Photosynthese betreiben kann. Das Ziel der Forscher*innen ist es, herauszufinden, wie bei der Schnecke eine solch außergewöhnliche Art der Ernährung funktionieren kann.
Dafür sind sie schon seit einigen Jahren dabei, die DNA der Schnecke zu entschlüsseln und nun, nach fünf Jahren, ist die Arbeit endlich geschafft. Denn obwohl das Tier nur bis zu zehn Millimeter groß wird, wäre die DNA - auf DIN-A4-Blättern ausgedruckt - unglaubliche sechs Meter hoch! Dr. Carola Greve berichtete uns, dass sie, um an die DNA der Tiere zu gelangen, diese in flüssigen Stickstoff getaucht und zu einem Pulver verarbeitet habe, das dann ihr Kollege Dr. Tilman Schell untersucht habe.
Und obwohl das gesamte Genom der Schnecke jetzt sequenziert wurde, ist die Arbeit noch lange nicht getan – nun gilt es die gesammelten Informationen auszuwerten und hoffentlich Hinweise auf den Ursprung der außergewöhnlichen Ernährungsweise von Elysia timida zu erlangen.
Wir sind gespannt, was die zukünftige Forschung noch erbringen wird. Vielleicht werden sogar eines Tages wir Menschen davon profitieren können!
Text: Yusuf Abdi (10b) und Finn Ehrenberg (10c)
"Die hatten alle super Daten und ich hatte nichts"
So antwortete Dr. Tilman Schell auf unsere Frage, warum er seine Zeit mit der Auswertung der Daten von Weichtieren verbracht hat. „Es gibt so viele verwertbare Daten über Wirbeltier, aber etwas Brauchbares über Weichtiere zu finden? Sehr schwierig.“ Zumindest war es das, als Schell mit seiner Doktorarbeit anfing. Mittlerweile arbeitet er seit sechs Jahren im „LOEWE-Zentrum TBG Laborzentrum und Bioinformatik“. Dort bereitet er verschiedenste Datensätze über die DNA von Weichtieren auf und analysiert diese erstmals. Zusammen mit seiner Forschungs-Partnerin Dr. Carola Greve geht er außerdem der Frage nach, wie die Schnecke „Elysia Timida“ Chloroplasten speichern und für ihre Ernährung nutzen kann. Doch wer nun glaubt, die beiden Wissenschaftler würden Tag ein, Tag aus nur im Labor beziehungsweise vor dem Computer sitzen, der irrt sich gewaltig. „Unser Arbeitspatzt ist auch der Mittelmeerraum, da dort die Schneckenart heimisch ist“, erklärt Schell. Heißt konkret: Dienstausflüge nach Spanien und Portugal stehen zweimal im Jahr auf dem Programm. Dort trifft sich das Wissenschaftler-Team zusammen mit Guides, die genau wissen, wo die „solarbetriebenen Schnecken“ vorkommen, damit sie diese als Proben wieder mit nach Deutschland zurückbringen können. Probleme mit dem Gesetz haben die Forscher dabei nicht, denn es gibt keine Richtlinien im Umgang mit Weichtieren.
Gruppe: Emelie Baron (10e - Text), Emil Liebner (10c) und Thu Wunderlich (10b)
Elysia soll einst Korallenriffe retten und den Welthunger vermindern
Chemikalien, Pipetten, Zentrifugen und der Supercomputer - diese Hilfsmittel und viele Arbeitsschritte werden benötigt, um mit der Erforschung der Superschnecke „Elysia timida“ einen Durchbruch in der Wissenschaft zu erreichen. Vielleicht könnte man dann Korallenriffe retten oder sogar den Welthunger vermindern. Diese Hoffnung treibt die beiden Forscher Dr. Carola Greve und Dr. Tilman Schell an, sich mit „Elysia“ tagtäglich intensiv zu beschäftigen.
Zunächst einmal müssen sie die Schnecken an der spanischen Mittelmeerküste sammeln. Im Labor in Frankfurt extrahiert und sequenziert Carola Greve dann die DNA sequenziert – sie entschlüsselt also die Abfolge der Buchstaben A, T, G und C. Ein langes Leben habe die Schnecken im Dienst der Forschung also nicht.
Nun kommt der Supercomputer ins Spiel: Ohne die enorme Rechenleistung dieses Computers kann die DNA nicht entschlüsselt werden. Diese Computerarbeit ist Tilman Schells Aufgabe. Trotz Einsatz des Supercomputers wird es noch etwas dauern, bis man die DNA komplett ausgewertet hat. Doch nur mit Hilfe der vollständig entschlüsselten DNA können die Wissenschaftler ihre eigentliche Fragestellung bearbeiten: Wie kann die Schnecke die aus ihrer pflanzlichen Nahrung aufgenommenen Chloroplasten zur eigenen Ernährung nutzen? Wenn die dabei ablaufenden Stoffwechselvorgänge verstanden sind, können diese Erkenntnisse vielleicht auch Antworten auf ein ganz anderes Problem geben: Die Ursachen für das Sterben von Korallenriffen. Das ist Grundlagenforschung mit hohem Motivationspotential, wenn solche Ziele in den Blick genommen werden können. Eine Zukunftsvision scheint dagegen noch in sehr weiter Ferne zu liegen: Eine Genveränderung am Menschen, um das Ernährungsproblem der Weltbevölkerung zu beseitigen. Stellt sich die Frage: Werden wir dann alle grün wie Elysia timida?
Wir wünschen den beiden mit ihrer Forschung viel Erfolg und hoffen, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft auch reichlich Früchte trägt.
Gruppe: Caroline Stadtmüller (10a -Text), Noah Ghebreyesus (10b) und Xander Stuurman (10c)