Die Leibnizschüler hatten gestern den bekannten Cellisten Julian Steckel zu Gast - und plauderten mit ihm über uralte Bögen und Fensterplätze für Instrumente.

Höchst. Cellist Julian Steckel hat zwei Bögen. Einen normalen. Und einen aus dem Jahr 1840, rund 100 000 Euro wert. „Schließt die Augen und hört genau hin“, sagt der 31-Jährige mit dem Spitzbuben-Lächeln und lässt den Blick über die Köpfe der Leibnizschüler schweifen. Er wartet, bis alle seiner Anweisung gefolgt sind. Dann nimmt er den alten Bogen und lässt ihn sanft über die Saiten seines Cellos gleiten. Erst langsam, dann schneller. Dasselbe macht er mit dem Ersatzbogen. Die Kinder merken den Unterschied. „Das erste Mal klang kraftvoller und satter“, finden sie. Steckel nickt zufrieden.

Der Cellist aus Berlin will Schüler für die klassische Musik begeistern. Er selbst spielt sein Instrument, seit er fünf Jahre alt ist, räumte zahlreiche Preise ab, stand mit dem Royal Philharmonic Orchestra und dem Orchestre de Paris auf einer Bühne - und verzückte vergangenen Sonntag die Zuhörer in der Alten Oper. Die Frankfurter Museums-Gesellschaft, die sich für künstlerische Bildung einsetzt, hat ihn zu einem Abstecher ins Höchster Gymnasium eingeladen. „ Gesprächskonzert“ nennt sie die Reihe, bei der Schüler und Künstler sich näherkommen sollen. Die Leibnizschüler, die im Musikraum Platz genommen haben, sind, was klassische Musik angeht, nicht ganz unbedarft: Sie gehen in die sogenannte Orchesterklasse, lernen also seit Beginn der Mittelstufe ein Instrument.

Und sie haben jede Menge Fragen an den jungen Cellisten. „ Warum“, will zum Beispiel ein Mädchen wissen und hüpft aufgeregt auf ihrem Stuhl herum, „machst du beim Spielen die Augen zu?“ Steckel wiegt den Kopf. „Dann fühle ich die Musik besser. Ich bin dann ganz bei mir und wie im Rausch.“ Ob er denn nicht auf die Noten schauen müsse, fragt ein Junge. „Ich kann viele Stücke auswendig“, sagt Steckel, „ um die 50 Stück. Das sind auch die bekanntesten. Es gibt nicht viele Komponisten, die Lieder für Cellisten geschrieben haben, weil das Instrument lange als behäbig und plump galt. Im Laufe der Zeit wurden die Cellisten aber immer besser und virtuoser, und die Liedermacher wandten sich auch ihnen zu.“

Und werden mutiger. Ein Junge mit braunem Wuschelkopf stößt den Finger in die Luft. „Hast du schon mal deine Wut an dem Cello ausgelassen?“ Er lächelt, als Steckel fast liebevoll über den Holzkörper seines Instrumentes streicht. Nein, sagt er, er habe das Cello immer gut behandelt. „ Auf Reisen bekommt es sogar einen Fensterplatz. Deswegen buche ich für Bahn und Flugzeug immer zwei Plätze. Es als Gepäckstück aufzugeben ist viel zu gefährlich. So ein Cello kostet ja einiges - um die 20 000 Euro. Und wenn ich sehe, wie ramponiert mein Koffer nach manchen Reisen ist, lasse ich es lieber neben mir mitreisen.“

Zum Schluss spielt Julian Steckel seinen jungen Zuhörern noch ein Stück vor; das Präludium der C-Dur-Suite, ein Klassiker. Er schließt die Augen, nimmt den Bogen zur Hand. Weich und klar fließt die Melodie durch den Raum, wird dann schärfer, wie wenn eine leichte Brise zu einem Sturm anschwillt. Die Klasse ist still. Als der letzte Ton verklungen ist, klatschen die Kinder begeistert. Nur einen Wunsch kann Steckel ihnen an diesem Vormittag nicht erfüllen: „Fluch der Karibik?“, echot er und guckt ein bisschen traurig. „Tut mir leid, das habe ich nicht vorbereitet.“ Das nächste Mal, verspricht er, hat er’s in petto. „ Bis dahin könnt ihr es ja selbst üben. Und dann spielen wir zusammen.“ jro

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