Ihren Klang verdankt sie edlem Holz, dem Lack nach geheimer Rezeptur, einer besonderen Bespannung. Daraus haben Meister der Geigenbaukunst um das Jahr 1915 in Markneukirchen im Vogtland diese 4/4-Geige komponiert. Die Gegend an der Grenze zu Tschechien galt früher als Geigenbauzentrum Deutschlands.
Dann lag die Violine jahrzehntelang in den Händen ihres ersten Besitzers, Dr. Friedrich Apelt, der sie intensiv bis zu seinem Tod spielte. Er starb im 2. Weltkrieg am 20. Juli 1944. Seine Witwe, Dr. Ursula Seufert, rettete das kostbare Instrument über den Krieg. “Bei jedem Bombenalarm griff sie zuerst nach der Geige und rannte dann mit ihren Kindern in den Luftschutzkeller”, erzählt Kosima. Sie hat die Geschichte von Apelts Tochter, Anne Friessem, erfahren, die ihr nun das Instrument überreicht hat.
Kosima liebt das Instrument schon jetzt: “Die Geige hat einen viel weicheren, sanfteren und irgendwie helleren Klang als mein Instrument”, beschreibt sie. “Außerdem gefällt sie mir optisch viel besser als meine alte dunkle Geige. Sie ist bernsteinfarben.”
Kosima durfte sogar zwischen zwei Kostbarkeiten in einem spannenden Verfahren wählen. In einer Blindauswahl in der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik spielten Kosima und danach ihr aktueller Geigenlehrer, Markus Däunert, jeweils drei Violinen: Die Apelt-Geige, Kosimas Instrument und eine Johann Adam Martin IV Geige aus der Zeit um 1800. Die Zuhörer, unter ihnen auch Kosimas Mutter, Adelheide Shirazi-Lutz, durften nicht sehen, welches Instrument gerade gespielt wurde. Einhelliges Urteil der Anwesenden am Ende: “Allen hat der Klang der Apelt-Geige am besten gefallen.”
Die Instrumente stellt der Verein “Mendelssohn-Wettbewerb für Junge Musiker im Hochtaunus- und Main-Taunus-Kreis” Nachwuchstalenten leihweise bis zum 21. Lebensjahr zur Verfügung. Anne Friessem hat diesen Verein mitgegründet. Da Kosima beim diesjährigen Mendelssohn-Wettbewerb den 1. Preis in ihrer Altersgruppe erspielte, ihre Geige aber nach Meinung der Jury nicht mehr ihrem hohen Talent entspricht, soll nun das neue – altehrwürdige – Instrument ihre Kunst weiter fördern.
Damit wächst auch noch einmal die Freude am Musizieren bei Kosima. Auf die Frage, ob sie sich ein Leben ohne Geige vorstellen könne, sagt sie sofort: “Neeein! Ich habe vor, nach dem Abitur Geige zu studieren.” Täglich ein bis zwei Stunden Üben sind der Standard – nach der Schule gibt es Essen, danach ist immer zuerst die Geige dran. Vor Konzerten sind es dann drei Stunden Übungszeit. Klavier soll in diesem Sommer dazukommen, “für die Harmonien”, sagt die 16-Jährige. Jetzt bricht sie erst einmal zu Probenwochen mit dem Landesjugendsinfonieorchester – und der Apelt-Geige – nach Wetzlar auf. Auf dem Übungsprogramm: Alban Berg und Gustav Mahler. Kosima: “Ich freu mich drauf!”
Die Leibnizschulgemeinde freut sich wiederum auf ihren nächsten Auftritt bei der Akademischen Feier zum 175-jährigen Schuljubiläum. “Wir sind schon jetzt sehr dankbar!”, betont Schulleiterin Sabine Pressler. “Kosima hat sich auf unseren Konzerten nicht nur als Solistin mit einem anspruchsvollem Repertoire präsentiert. Sondern sie war auch immer bereit, sich einzureihen und das Orchester mit ihrer Geige zu verstärken. Damit hat sie den Zusammenhalt unserer Orchestermusiker solidarisch unterstützt.” Aus diesem Grund hat sie der Förderverein bei der Verabschiedung der neunten Klassen 2017 als eine der besten Schülerinnen ausgezeichnet, denn “sie wirkte vorbildlich als großes Einzeltalent und mit ihrem Engagement für die Gemeinschaft.”
Auf dem Foto (v.l.n.r.): Marat Dickermann, stellvertretender Vorsitzender des Mendelssohn Wettbewerb Vereins, Anne Friessem, Kosima Gwendolin Shirazi, Bürgermeister der Stadt Oberursel, Hans-Georg Brum.