… Mit gespannten Mienen hören die Schülerinnen und Schüler zu, wessen Spuren sie da verfolgen sollen. Es fallen Namen von zehn- oder zwölfjährigen Jungen und von Lehrern, die in den 1930er und 40er Jahren an der Leibnizschule gelernt und gelehrt haben. Sie erlebten als Juden die Ausgrenzung und die Verfolgung während der Zeiten des Nationalsozialismus mit. Die Leibnizschüler überlebten die schrecklichen Zeiten, Millionen andere starben. Sie wurden ermordet. Im Kunstraum der Leibnizschule im Herbst 2017 überwiegen auf einmal betroffene Blicke. Das Schweigen wirkt betrübt, als die Jugendlichen darüber nachdenken, was ihre Altersgenossen und deren Lehrer durchgemacht haben müssen.
Die Spuren, die sie an der Schule, in Höchst, in Frankfurt oder woanders in der Welt hinterlassen haben, werden die Wahlunterrichtsschüler mit künstlerischen Mitteln sichern und den Verfolgten der NS-Zeit damit wieder eine Gestalt und ihre Würde geben.
Die Künstlerin Leonore Poth erklärt ihren jugendlichen Kollegen, welche Möglichkeiten und Techniken es gibt, deren Biographie oder bestimmte Aspekte ihres Lebens künstlerisch umzusetzen. Sie gibt den Schüler kurze Einblicke in Kunstrichtungen wie Graphic Novel. Das sind Comics im Buchformat für Erwachsene. Oder die Technik des Künstlers Slinkachu. Er fotografiert statt Menschen Eisenbahnfiguren mit verschiedenen Hintergründen und Gegenständen. Schließlich eröffnet Poth auch die Möglichkeit des plastischen Gestaltens. “Ihr sollt eure eigene Stilrichtung finden”, lädt sie zur Selbsterprobung ein.
Die ganze Zeit über hat sich der Kriminalpolizist dezent im Hintergrund gehalten. Jetzt löchern ihn die Schüler mit Fragen: “Wie läuft die Spurensicherung ab?” und “Welche Ausrüstung benötigt man?”, wollen sie wissen. Als er einen weißen Ganzkörperanzug hervorholt, fühlt man sich sofort an den letzten “Tatort” erinnert. “Wir nehmen Gipsabdrücke von Fußabdrücken oder Reifenspuren, für die feinen Spuren verwenden wir Ruß- und Fingerabdruckspulver.” Das zeigt er an Glasplatten, die er mitgebracht hat. Chemisches Wissen gehöre genauso dazu wie Physik, Biologie und viel technisches Know How.
“Und was hat das jetzt mit unserem Projekt zu tun?”, fragt eine Schülerin. “Um Aspekte aus dem Leben jüdischer Menschen darzustellen, muss man erst einmal Spuren wie Fotos, Erinnerungsstücke sammeln, Orte besuchen, an denen sie gelebt haben, wahrnehmen, hören, sehen, was diesen Ort ausmacht und damals vielleicht ausgemacht hat”, erklärt Leonore Poth. Wenn man beginnt, sie zu verküpfen, tritt man in Kontakt mit dem, dessen Spuren man nachspürt – und es entsteht Kunst.
Wenn bald die Reihe der Veranstaltungen, Besuche und Erkundungen endet, beginnt diese produktive Phase. Die Produkte werden anlässlich der Jubiläumsfeiern im Jahr 2018 zu sehen sein.
Wenn die Spurensicherung im Krimi oder im wahren Leben auftaucht, ist ein Verbrechen geschehen. Jede auch noch so winzige Spur kann die Polizei zum Täter führen. Spurensicherer brauchen ein scharfes Auge. Ganz genau hinschauen lernt in diesem Halbjahr auch der Wahlunterricht Kunst von Andrea Mihm. Was der mit Spurensicherung zu tun hat? Das erfuhren die Neuntklässler im Rahmen des Jubiläumsjahr-Projekts “Nachspü/uren” nicht nur von ihrer Lehrerin und der Künstlerin Leonore Poth sondern auch von einem echten Kriminologen der Polizei. Lea Baron und Delia Kleinschmidt (beide 8a und Journalistinnen der Journalismus-AG) haben sich ihnen an die Fersen geheftet…