… Manchmal lesen sie aber auch einfach, was bereits im Regal steht. “Richtig spannend” fand Bohdan Rakhletsky, der gerade die neunte Klasse der Leibnizschule abschließt, den Umweltroman “Floaters – Im Sog des Meeres” von Katja Brandis. Er erzählt vom Kampf zwischen Müllpiraten und Umweltschützern, von der Entführung der jungen Hauptfigur und auch von zwei Liebesgeschichten. Dabei bleibt das Kuss-Seiten-Verhältnis laut Bohdan “ok” – er empfiehlt den Roman, der im Jahr 2030 spielt, also auch männlichen Lesern.
Während Tara Schaub (7f der Leibnizschule) ihre Entdeckung “Das Juwel” von Amy Ewing vorstellt, vertilgen Richard, Bjarne, und Lenny vergnügt die Superhirne aus Fruchtgummi, die Buchhändlerin und Lese-Club-Leiterin Katja Korch für die literarischen Spürnasen auf den Tisch mitten im Buchladen gestellt hat. “Ich mochte die Charaktere in diesem Buch”, erzählt Tara. “Es spielt in einer Zukunft, in der Mädchen an reiche Familien verkauft werden und für die Frauen dort Kinder bekommen sollen – ein typisches Mädchenbuch.” Sie fügt noch einen Hinweis hinzu, der schon fast professionell klingt: “Wer ,Selection’ von Kiera Cass mag, der mag auch ,Das Juwel’.”
Hören, was Jugendlichen gefällt, das ist ein angenehmer Nebeneffekt des Lese-Clubs für Jasmina Djordjevic, die Inhaberin der Buchhandlung und Mit-Initiatorin des Lese-Clubs. Sie schätzt das Urteil ihrer Testleser sehr: “Die Jugendlichen sind brutal ehrlich. So erfahren wir, was in dieser Altersgruppe ankommt und was nicht.” So fand Bjarne Lassek (8f) “Young Elites” von Marie Lu “zu romantisch”, dagegen empfiehlt er an diesem Freitagnachmittag den Roman “Sonnenflügel” mit dem schlichten Kommentar “cool”. “Sonnenflügel” ist eine jugendliche Fledermaus, die ihre gefangenen Eltern retten, Bomben entfernen und sie vor Tierversuchen bewahren muss. In knappen Worten erzählt Bjarne den anderen, worum es geht.
Nicht nur durch ihre Buchempfehlungen lernen die Clubmitglieder den Beruf eines Buchhändlers kennen. Denn die Mitarbeiter lassen die Jugendlichen auch mal ein Schaufenster dekorieren, sogar Kunden beraten oder um die Weihnachtszeit Bücher als Geschenke verpacken. Bohdan wuchs so in sein zweiwöchiges Berufspraktikum hinein.
Und Lenny, der Jüngste in der Runde, ist mit seinen neun Jahren schon Stammkunde bei “Bärsch”. “Ich habe irgendwann den Einladungszettel zum Lese-Club an der Kasse liegen sehen, da wollte ich mitmachen”, erzählt er und hält den Roman “Drachenreiter” von Cornelia Funke hoch. “Ich hab schon 37 von … warte … 448 Seiten gelesen”, sagt er stolz. Den Anfang fand er bisher “nicht sooo toll”, aber jetzt ist er an der Stelle angelangt, an der die bedrohten Drachen einen Jungen treffen, der ihnen vielleicht helfen könnte. “Ich glaube, jetzt wirds gut”, meint Lenny.
Sein Bruder Richard (6g) hat dagegen schon seinen Lieblingshelden gefunden: Skulduggery, das wohl berühmteste Skelett der Jugendliteratur. Er schreibt, wie die anderen auch, seine Empfehlungen auf einen Fragebogen. Daraus könnten in Kürze Buchtipps von Jugendlichen für Jugendliche an den Regalen werden. Das jedenfalls schwebt Buchhändlerin Jasmina Djordjevic als nächstes Projekt vor.
Der Lese-Club in der Höchster Buchhandlung Bärsch hat eine besondere Mission: Alle sechs Wochen treffen sich hier Lesefüchse, Bücherwürmer und Abenteuer-Süchtige, um Bücher zu lesen, die noch niemand gelesen hat. Die Romane stehen noch nicht einmal in den Regalen der Buchhandlungen. Doch Bjarne, Tara, Bohdan oder Richard dürfen als erste ihre Nase zwischen die druckfrischen Seiten stecken und ihre Entdeckungen beim nächsten Treffen den anderen empfehlen – oder von der Lektüre dieser Neuerscheinungen abraten…